< Haus KB5
-------___________________-----------------------________________________
10 Jahre Haus KB5
"Manches, das am Morgen noch Utopie gewesen ist, ist zu Mittag bereits
Science Fiction und am Abend schon Wirklichkeit" Jerry Lewis. Auf
den "Tagen
der Utopie" 2003 stellte der Wiener Soziologe Mag. Franz Nahrada seine
Vision der "Globalen Dörfer" vor, in deren Zentrum eine "Piazza
Telematica" diese Orte via modernster Übertragungstechnik mit dem
Wissen der Welt gezielt vernetzt. Was im Jahr 2003 noch ein Zukunftsbild war,
wurde bereits ein Jahr später mit verblüffender Konsequenz umgesetzt.
Im April des Jahres 2004 begannen die Umbauarbeiten am ehemaligen Postamt in
Kirchbach. Eigentlich blieb nur die Hülle stehen, das gesamte Haus wurde auf
einen zeitgemäßen Standard gebracht und mit der Eröffnung im
Oktober 2004 war ein neuer Begriff geboren: Das "Haus KB5". Hinter
der Renovierung und dem Umbau standen und stehen privatekInvestoren, denen
die Bevölkerung der Gemeinde Kirchbach und die umliegenden Gemeinden am
Herzen liegt. Mit viel eigenem und geborgtem Geld, fast ohne öffentliche
Förderung(lediglich zur Errichtung des Liftsgab es einen Zuschuss des
Landes Steiermark) und unendlich viel persönlichem Einsatz gelang es,
aus dem ehemals fast verfallenen Objekt ein Schmuckstück für den Ort zu machen.
Das Haus KB5 sollte nach unseren Plänen mehr sein als bloß eine
Immobilie, in der man Büros mieten kann. Für uns war das Haus KB5 eben die "Piazza
Telematica" des "Globalen Dorfes" Kirchbach. Schon kurz nach
der Eröffnung gelang es uns, die Uni Graz zu überzeugen und die Vorlesungen
der "Montagsakademie" aus der Aula der Universität Graz zu uns
zu übertragen. Ein völlig neue Dimension der Informationsvermittlung tat
sich auf. Mit Prof. Dr. Michael Narodoslawsky konnten wir einen Moderator gewinnen,
der wie kein Zweiter beim Leitthema "Nachhaltigkeit" zu Hause war
und die ZuhörerInnen in Kirchbach mit seiner fachkundigen Moderation in
seinen Bann zog. Er war ganz maßgeblich am Erfolg dieser Veranstaltung
beteiligt. Mit Hilfe des oben erwähnten Mag. Franz Nahrada, der ein langjähriger
Freund des KB5-Initiaitors Franz Steinwender ist, gelang kurz darauf gleich
der nächste Paukenschlag. Wir übertrugen im April 2005 mittels Videokonferenz
die "Tage der Utopie" aus dem Bildungshaus St. Arbogast in Vorarlberg
zu uns. Damals war das eine wirkliche Sensation, der Besucherandrang war so
enorm (über 700 Teilnehmer in einer Woche), dass wir die Übertragung in
drei Räume bewerkstelligen mussten
OpenSource
Das lag natürlich auch an den hochkarätigen ReferentInnen wie Mag. Nahrada selbst, der damals über "OpenSource – die wahrgemachte Utopie des gemeinsamen Wissens" referierte. Damals steckte Wikipedia – jenes Medium, das heute als der Inbegriff des Open Source gilt - noch in den Kinderschuhen. - Prof. Frithjof Bergmann erzählte uns von einem "System der Produktion in kleinen Werkstätten". Mit Hilfe eines "Fabricators" und einer geeigneten Software auf Open Source Basis – heute bekannt unter dem Namen "3D-Drucker" wird es möglich sein (heute, nur ein Jahrzehnt später ist es bereits möglich) notwendige Dinge des Lebens ganz einfach selbst herzustellen und/oder zu reparieren. Dazu passte der Vortrag über die "Ökonomie der Nähe" von Christine Ax, von dem sich Josef Ober einige Ideen und Inspirationen für das Steirische Vulkanland mitgenommen hat. Prof. Hans Peter Dürr wiederum brachte uns die damals einer breiten Öffentlichkeit beinahe unbekannte Quantenphysik auf einzigartige Weise näher. Heute wird dieses Wissen bereits in vielen Bereichen eingesetzt. Der Höhepunkt der Woche war aus meiner Sicht jedoch das Referat von Bernard Lietaer. Als ehemaliger leitender Angestellter der belgischen Notenbank war er einer der Väter des ECU, des Vorläufers des Euro. Und: er hat schon damals, also mehrere Jahre vor der aktuellen Finanzkrise auf die Gefahren der Gemeinschaftswährung hingewiesen und vehement für die Einführung sog. Komplementärwährungen plädiert. Niemand hat sich vor dem Umbau vorstellen können, dass man in Kirchbach Vorlesungen der Uni oder anderer Bildungseinrichtungen per Videokonferenzschaltung besuchen kann, es gab im Jahr 2004 in Kirchbach keine geeigneten Räume für Besprechungen, Kurse, Vorträge, Ausstellungen etc. "der Keller" wurde ein zusätzliche Location für stilvolle Veranstaltungen, Lesungen Konzerte und Theateraufführungen. Sogar "Hamlet" wurde im Keller schon gespielt! - Durch die Schaffung von zeitgemäß ausgestatteten Gästezimmern war auch dem Fremdenverkehr im Ort gedient. Und wohl niemand hätte je gedacht, dass eines Tages die Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien eine Einladung aussprechen wird, eine Vorlesung über das KB5 direkt an der BOKU zu halten. Unglaublich. Noch unglaublicher ist, dass sich eine Diplomarbeit und eine Dissertation von Studierenden der BOKU (Verena Peer und Florian Heiler) mit dem Haus KB5 beschäftigen. Und wer hätte sich vorstellen können, dass das was wir tun so interessant ist, dass wir deswegen in drei internationalen EU-Projekten > "iLearn" und "BRIDGE" und "MIR" < mitarbeiten durften. Und nur wenige haben geglaubt, dass wir nach 10 Jahren immer noch nicht pleite sind.
Videokonferenzen mit 32 Außenstellen
Wir vertrauten der Vision des "Globalen Dorfes" und nahmen sie als Richtschnur
für unsere nächsten Schritte. In der "langen Nacht der Sprachen" waren wir wieder
Teil einer interaktiven Veranstaltung, diesmal gemeinsam mit Wiener Kollegen
von der Volkshochschule Brigittenau. Mit der Übertragung der Lesung in seiner
Muttersprache des usbekischen Dichters Yodgor Obid im Haus KB5 in die Orgeon-State-
University in den USA und mit den Übertragungen der "Bioversität" aus dem Haus
KB5 in 32 Außenstellen konnten wir beweisen, dass Dörfer nicht nur Konsumenten
von Kultur und Wissen sind. Sie können auch der Produktionsort von hervorragenden,
außergewöhnlichen und authentischen Inhalten sein. Wir konnten zeigen, dass im
ländlichen Raum viel mehr Potenzial für Innovationen steckt als man gemeinhin
glaubt und wir wollten der Jugend zeigen, dass kreative junge Menschen nicht
unbedingt in die Städte abwandern müssen. Dass sie es trotzdem tut, ist offenbar
unaufhaltbar, aber diese Abwanderung zu stoppen und wenn möglich sogar umzukehren
ist wohl eine der großen Herausforderungen für den ländlichen Raum insgesamt.
Die Vision des "globalen Dorfes" besteht auch darin, vieles von dem zu bieten,
was Städte bieten. Das schafft ein Dorf nicht allein. Dazu ist Kooperation mit
anderen Dörfern angesagt und dazu ist Spezialisierung auf einzelne Themen angesagt
und dazu ist gegenseitiges Ergänzen angesagt. Schon im Jahr 2006 – also lange
vor der jetzigen Gemeindezusammenlegung – hat unser Gründungsmitglied Peter Mayer,
der damals als Wirtschaftsbundobmann im Kirchbacher Gemeinderat tätig war, einen
Dialog mit den Nachbarorten in Gang gebracht. Neben einem Modell von jeweils "5
globalen Dörfern" hat er auch eine "Leaderregion" Schwarzautal vorgeschlagen.
Das hätte EU-Geld bringen können. EU-Geld für die Schaffung eines einzigartigen
Kompetenzzentrums für Informationstechnologie. Für den Einsatz von Computern
und Netzwerken. In der Landwirtschaft, in Gewerbebetrieben und so weiter. Interessant
auch für die Nachbarorte, interessant für junge kreative Menschen. Mit Open Source
- geteiltem Wissen. Für nachhaltige Technologien und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe.
Viel kleiner und bescheidener als in den Städten. Aber auch anspruchsvoller.
Und einzigartig. Jedenfalls in Österreich, vielleicht sogar europaweit.
Der Weitblick
Damals hatten die Meinungsbildner der Kirchbacher Wirtschaft leider nicht den
Weitblick, diese einzigartige Chance zu ergreifen und Kirchbach als "globales
Dorf" zu positionieren und zu inszenieren. Man glaubte lieber einem externen "Marketingexperten".
Schade. Auch der "Obrigkeit" wurden diese Ambitionen zu viel, ein hoher Landesbeamter
durfte auf oberste Weisung plötzlich nicht mehr zu einem bereits bestätigten
Vortrag über das Thema "Leaderregion" ins KB5 kommen Im Endeffekt brachte diese
Initiative keinen Erfolg und Peter Mayer verlor seinen Sitz im Gemeinderat. Es
würde zu weit führen, hier alle Veranstaltungen der letzten 10 Jahre zu beschreiben.
So viele tolle Veranstaltungen, so viele tolle Referenten und so viele tolle,
interessierte und engagierte BesucherInnen haben in den letzten Jahren das Bild
von KB5 geprägt. An den obigen Beispielen wollte ich zeigen, welche ungeahnten
Ausmaße unser Engagement binnen kurzer Zeit angenommen hat und welcher Mehrwert
für den Ort entstanden ist. Wir haben in diesen 10 Jahren wohl weitaus die meisten
Veranstaltungen in weitem Umkreis initiiert, organisiert und durchgeführt.
25 Personen arbeiten im Haus KB5
Bei all diesen Aufzählungen fehlt noch etwas Wichtiges, nein: das Wichtigste.
Es sind die Menschen, die im Haus KB5 arbeiten und für das Haus KB5 arbeiten.
Mittlerweile sind 25 Menschen im Haus KB5 tätig, für die meisten davon ist
das Haus KB5 "nur" der Dienstort. Ein toller Dienstor wie ich meine,
weil meist in nächster Nähe zum Wohnort. Damit entfällt das Pendeln
in die Städte. Für einige davon ist das Haus KB5 jedoch viel mehr. So beispielsweise
für Franz Steinwender. Er war der eigentliche Initiator des Hauses KB5. Es war
seine Idee, er hat die Investoren zusammengebracht und die Kontakte zu der Universität
in Graz und der Universität für Bodenkultur in Wien aufgebaut. Dadurch wurde
dann auch die Verbindung mit über 20 Bildungshäuser in ganz Österreich
hergestellt –- und jahrelang über Videokonferenzen zusammengearbeitet.
Sogar Wissenschaftler aus Litauen und Peru kamen deshalb nach Kirchbach, um sich
unsere Arbeit gleich vor Ort anzusehen. Oder meine Gattin Monika. Sie ist die
Seele des Hauses. Sie weiß alles, kennt alles und macht alles, was halt
so anfällt. Und das ist unfassbar viel. Das beginnt beim Aufsperren in der
Früh, es ist zu checken, ob der Fingerprint funktioniert, sonst kommt niemand
ins Haus. Es sind Zimmer und der Keller zu reservieren und dann zu vermieten
und dazu die Abrechnungen zu machen, verlorene Schlüssel zu ersetzen, dann ein
Einsatz im Studio, dann wieder kommen die Zimmergäste doch nicht wie angekündigt
um 19.00 Uhr, sie verspäten sich wegen einer Panne um 4 Stunden etc. etc..
Sie scheint das alles mit einer bewundernswerten Leichtigkeit und Ruhe zu schaffen.
Für
mich selbst ist das Haus KB5 sowieso ein Stück Heimat. Ich bin in diesem
Haus aufgewachsen und hab die ersten 6 Jahre meines Lebens hier verbracht. Meine
Mama arbeitete als Sekretärin beim damaligen Bezirksgericht und so hatte
die Familie Matzer in diesem Haus eine Wohnung. Und mit 19 leistete ich 6 Monate
meines Präsenzdienstes hier ab. Das Haus war ja nach der Schließung
des Bezirksgerichtes in ein "Landwehrlager" des Bundesheeres umgewandelt
worden. Und jetzt bin ich seit 10 Jahren für die Geschicke dieses Hauses verantwortlich.
Das ist nicht immer nur eine Freude. Da sind viele sorgenvolle Stunden dabei,
viele Stunden, wo ich wirklich weit über das gewöhnliche Maß gefordert
war.
Das Haus KB5 hat mir Türen geöffnet, von denen ich vorher nicht gewusst
habe, dass es sie gibt.
Ich danke hiermit jedem/jeder Einzelnen, die/ der mich ein Stück auf diesem Weg begleitet hat.
Akad.Vkfm. Hansjörg Matzer; MBA
____________-------___________________--------------------------------_________
1884
2004
Andenken
und nachdenken >
----------------------------------------______________----------------------------_________
< Haus KB5